Leitideen
Deutschland war für Georgien auf dem Weg zur Unabhängigkeit nicht nur ein verlässlicher Partner, sondern gleich zweimal ein Vorreiter der Völkergemeinschaft bei der Anerkennung des souveränen Status, ein „Fels“ in teilweise unruhigen Zeiten. Das Bild der Verlässlichkeit, der freundschaftlichen Stärke, aber auch der Einfachheit und Bodenständigkeit möchte der vorliegende Entwurf zum Ausdruck bringen.
Mit dem Bild des Fels in nahezu unberührter Landschaft – übersetzt in eine den natürlichen Zustand und den Bewuchs des Grundstücks wahrende bzw. wieder herstellende Außengestaltung – soll die Gesamtgestaltung des Grundstücks auch im Sinne des sorgsamen Flächenanspruchs durch die Bebauung und die weitestgehend sich selbst überlassene Natur rund um das Grundstück als Sinnbild der nachhaltigen Bewirtschaftung der hohen Biodiversität Georgiens wirken lassen.
Die spektakuläre Lage und Schönheit des Grundstücks soll für alle Nutzer des zukünftigen Gebäudeensembles genutzt und erfahrbar gemacht werden. Der Panoramablick ins Tal und auf die Stadt wird auf der Botschaftsterrasse auf dem Dach der Kanzlei ebenso inszeniert wie auf den Terrassen der Privaträume der Residenz. Das bewusste Fokussieren des Blicks durch gezielt gesetzte Öffnungen entspricht gleichzeitig der Wahrnehmung der Architektur als schützend und bergend. Wie aus einer sicheren Höhle sind doch faszinierende Ausblicke möglich.
Die Anordnung aller Büroräume der Kanzlei (mit Ausnahme des Pass- und Visabereichs) auf einer Ebene ermöglicht eine hochkommunikative und effektive Bürolandschaft wie sie für deutsche Behördenstrukturen noch Neuland sind, aber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schnell als unverzichtbar gelten werden. Kombibürozonen und weite Blickachsen fördern den Informationsfluss und die Teamarbeit und somit letztendlich die Zufriedenheit der Mitarbeiter.
Die Einfachheit des architektonischen Ausdrucks – übersetzt in Planungstypologie und Konstruktions- prinzipien – ermöglicht gleichzeitig die einwandfreie Ausführung unter den besonderen Randbedingungen des Projekts vor Ort. Die komplexen Anforderungen des Projekts auf möglichst einfache Weise, unter Einsatz örtlich verfügbarer Materialien und mit bewährten handwerklichen Konstruktionen um- zusetzen ist die planerisch konstruktive Leitidee des Projekts.
Organisationskonzept und Nutzungsqualitäten
Kanzlei und Visabereich werden gleich nach der Außenpforte auf gleicher Terrainebene erreicht. Somit wird ein unangemessenes Bild eines „unnahbaren“ Botschaftsgebäudes vermieden. Bodentiefe Verglasungen der Erdgeschossbereiche ermöglichen auch schon aus der Ferne den Dialog mit dem Haus.
Der Visabereich öffnet sich großzügig zur Straße bzw. zu dem Visagarten. Die Mitarbeiter des Visabereichs haben ihrerseits durch die Orientierung zum Innenhof gleichfalls eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre.
Nach Durchschreiten der Innenpforte erreichen Mitarbeiter und Gäste der Kanzlei ein helles lichtes Foyer, welches durch seine Zweigeschossigkeit zur Bürolandschaft des Obergeschosses vermittelt. Die Offenheit auf dem Weg durch das Gebäude mit dem Konzept der fließenden Räume und sich mit der Bewegung ändernden Blickachsen erinnert nicht ungewollt an den Einfluss deutscher Architekten der 20er und 50er Jahre auf die Raumprinzipien der Modene. Die besondere Mischung aus Kommunikation und Diskretion – die dem Prinzip des Kombibüros zu eigen ist, wird für die Bedürfnisse eines Kanzleibetriebs exemplarisch umgesetzt.
Die Residenz, die in ihrer baulichen Wirkung bewusst als eine Einheit mit dem Kanzleigebäude gestaltet wird, ist konstruktiv und organisatorisch ein eigener Baukörper. Dieser wird sowohl über eine eigene Zu- und Vorfahrt durch den Fahrverkehr als auch über eine Landschaftstreppe erreicht, die durch ihre besondere Wegeführung mit der Wegkehre vor dem letzten Treppenlauf die Faszination der Lage des Botschaftsgrundstücks betont. Fahr- und Gehweg erreichen an gleicher Stelle den Eingangsvorbereich der Residenz und zelebrieren den Ausblick. Die repräsentativen Räume sind aufgereiht an der großen Glasfassade des Erdgeschosses mit Blick auf die Botschaftsterrasse und das Bergpanorama rundum. Die Dachterrasse erinnert dabei mit ihrer reduzierten Gestaltung aus kleinteiligen plattierten Bereichen und netzartigen Durchwebungen mit einheimischen Grünpflanzen an eine grafische Übersetzung einer Bergwiese mit Stein- und Felsfindlingen.
Die Privaträume im Obergeschoss vermitteln das Bild und die Wirkung einer „schützenden“ Höhle. Hier fühlen sich die Bewohner nicht auf dem Präsentierteller, sondern genießen Raum und Ausblick „aus gesicherter Position“. Die Terrassen können nach Wunsch noch die Möglichkeit der Abschottung durch Schiebeelemente oder Außenvorhänge erhalten. Das Wohnerlebnis entspricht dem eines Hofhauses, womit bewusst erneut Bezug genommen wird auf Raum- und Wohnkonzepte der Moderne von Mies van der Rohe bis Sep Ruf – den Gestaltern der wohl bekanntesten und besten Repräsentationsbauten ihrer Zeit. Die Reduktion der Öffnungen im OG der Residenz auf die Loggien nimmt gleichzeitig ebenso Bezug auf die Tradition örtlicher Wohnhäuser mit ihren auffälligen Balkonen und Erkern wie die Brettschalung des Betons auf die typische Holzbekleidung derselben.
Am Endpunkt der Auffahrt zur Residenz ist ein eigener Wirtschaftshof angelegt, der – unauffällig als Geländekante gestaltet – unprätentiös und für Gäste uneinsehbar alle notwendigen dienenden Abläufe des Hauses ermöglicht.
Umsetzbarkeit und Nachhaltigkeit
Die Planung basiert auf den Nachhaltigkeitskriterien des Bewertungssystem für Nachhaltiges Bauen (BNB) 2011.
Der Gebäudeentwurf ist auf ökonomische, soziokulturelle und funktionale Qualität ausgelegt, indem zunächst eine hohe gestalterische und städtebauliche Qualität gewährleistet ist. Die Materialisierung und Ausformung der Außenhülle mit einem geringen Anteil an Verglasungen und dennoch hellen transparenten Räumen stellt einen hohen Komfort für Nutzer des Gebäudes bei gleichzeitig niedrigem Energieverbrauch sicher. Das gute Verhältnis geschlossener zu verglaster Flächen und die gute Erreichbarkeit aller Außenfassaden (keine höher als zwei Geschosse) sichert im Verbund mit den pflegeunaufwändigen Materialien und Details geringe Reinigungs- und Instandhaltungsaufwand.
Die Planung des haustechnischen Konzepts – die insbesondere bei der Primärenergiebereitstellung der detailierten Kenntnisse des Baugrunds und der anliegenden Versorgungmedien und deren Energieträger und - gewinnung bedarf – ist aussagekräftig erst im weiteren Planungsverlauf möglich. Hier sind Systeme aus geothermischer Energiegewinnung und über Wärmepumpen betriebene Niedrigenerigesysteme angedacht. Die Stromgewinnung aus Kollektoren erscheint auf dem Dach des Residenzgebäudes möglich und sinnvoll, hier könnten auch photothermische Elemente den geringen Warmwasserbedarf des Gebäudes sicher stellen.
Deckenaufbauten und Fassaden sind für ein hybrides Lüftungskonzept als Kombination aus natürlicher und mechanischer Lüftung ausgelegt. Dies sichert bei individuell hoher Akzeptanz der Nutzer einen geringen Energieverbauch und somit geringe CO2-Belastung der Umwelt und geringe Betriebskosten.
Somit werden die Anforderungen nach Unterschreitung der ENEV 2009 erfüllbar sein.
Die Trinkwasserversorgung Georgiens ist durch die starke Verschmutzung der Gewässer und Böden unzureichend. Trotz einer erfahrungsgemäß eher unwirtschafltichen Regenwassernutzung sollte dies bedacht und ggf. ausgeführt werden.
Materialien und örtliche Umsetzbarkeit.
Die gewünschte örtliche Umsetzbarkeit des Hochbaus bei gleichzeitiger Verwendung örtlich vorhandener Ressourcen ist ein wesentliches Leitmotiv der gewählten Materialien. Vor Ort hergestellter Beton mit örtlichen Zuschlagstoffen ist der Haupt-Baustoff. Im Herstellen von Betonfertigteilen gibt es großes örtliches Know-How in dem Gastland. Im Dialog mit dem Beton soll Im Innenraum Holz bei den Türen, als Bodenbelag der Privaträume der Residenz und als Lamellendecke eingesetzt werden. 40% der Fläche Georgiens sind mit Eichen- und Buchenwäldern bedeckt, so dass auch hier der ortsnahe Abbau des Rohstoffs gewährleistet ist. Auch wenn der Pflegebedarf zunächst dagegen zu sprechen scheint, sollte die Ausführung der Fenster aus Eichenholz im Sinne eines nachhaltigen Umgangs mit Ressourcen geprüft werden. Aluminiumfenster sollten zumindest aus recyceltem Material bestehen – was aber voraussichtlich den vorgegebenen Investitions- rahmen übersteigt. Im Kaukasus werden grünliche Granite abgebaut. Diese werden für die repräsentativen Bereiche von Kanzlei und Residenz als Bodenbelag vorgesehen.
Alle Bauelemente sollen einfach und auf bewährte Weise in Handwerkstradition gefügt werden, so dass örtliche Handwerker diese Leistungen erbringen können.
Die Zertifizierung von Produkten und Baustoffen stellt erfahrungsgemäß beim Ansetzen deutscher Normen und Regelwerke vor Ort ein Problem dar, da örtliche Handwerker keine deutschen Zertifikate besitzen bzw. vor Ort hergestellte Bauelemente hierfür erst im Einzelfall geprüft und zugelassen werden müssten.. Bei der Umsetzung der Baumaßnahme muss daher zwischen formalen Zwängen und „Sinnvollem Unbedenklichem“ abgewogen werden. Auch dies ist ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum Einhalten des Investitionsrahmens den Bauherr und Architekt gemeinsam entwickeln können.